Hamburger Abendblatt - Montag , 2. Dezember 2013 - Eine bärenstarke Leidenschaft (Ein Bericht von NICO BINDE) 40 Teddy-Designer und Hunderte Bären-Fans aus ganz Deutschland kommen zur Messe "Hamburg Teddy". Das Kinder- spielzeug ist längst zum Liebhaberstück geworden – gerade bei Erwachsenen. Schnelsen. Es sind immer zuerst die Ohren. Ob sie nun als schlappe Lappen vom Kopf baumeln oder rund und fest an das Plüschgesicht genäht sind. Die menschliche Kontaktaufnahme mit dem Teddybär beginnt meist am Ohr, bevor sie Richtung Nase getrieben wird, um irgendwann am Hauptfell ihren emotionalen Höhepunkt zu erreichen. Und wenn nach dem ersten Griff auch noch die magischen fünf Worte fallen ("Guck mal, ist der süß!"), ist es für ein schnelles Beziehungsende oft schon zu spät. Mensch und Teddy haben sich verliebt. Nicht selten für immer Dass diese Liebe durchaus teuer werden kann und eigentlich immer vom Ohr abwärts führt, zeigte sich am Sonntag bei der "Hamburg Teddy", der hanseatischen Bärenmesse. Einige Exemplare wechseln hier für mehrere Hundert Euro den Besitzer, pardon, Liebhaber. Denn zwischen Knopfaugenmanufaktur, Teddybären-Filzworkshop, Streicheleinheit und dem hochwertigen Rohmaterial aus dem Fell der Tibetziege wird eines sehr schnell deutlich: Wer sich dem Teddybären ernsthaft verschreibt, macht das nicht nur aus Spieltrieb, sondern aus Hingabe. Im Grunde kann man von einer eingeschworenen Szene sprechen. Etwa 40 Teddy-Designer aus ganz Deutschland sind angereist. Der Konferenzraum des Schnelsener Hotels Park Inn ist voll mit Flausch, Plüsch und Pelz, aufgetürmt zu Bärenbergen. Ob struppig oder glatt, wollig oder synthetisch, grün oder braun – dem individuellen Geschmack setzt der Teddy keine Grenze. Es herrscht munteres Kommen und Gehen. Die Veranstalter schätzen, dass 500 Besucher dagewesen sind. Monika Stelter aus Niendorf etwa ist Sammlerin aus Leidenschaft. "Ich hatte mal 700 Bären", sagt sie. "Alles Pandas". Doch als die 65-Jährige in eine kleinere Wohnung ziehen musste, verkleinerte sich bedauerlicherweise auch ihre Pandabande. Inzwischen gebe es aber wieder Platz, weshalb sie trotz Rollstuhl nicht auf einen Besuch der Teddymesse verzichten wollte. Die "Liebe zum Bären" sei einfach zu groß. So groß, dass sie am Ende fast 400 Euro für einen Steiff- Panda aus den 50er-Jahren hinblättert. Für den schon etwas angegrauten schwarz-weißen Bären bedeutet dieser Kauf indes: Es hat sich ausgekuschelt. "Meine Pandas sind nur zur Zierde", sagt Monika Stelter. Teddys haben Nachwuchsprobleme - Es sind vor allem Enthusiasten, die sich durch die Gänge schieben. Sammler wie Monika Stelter oder Hobbybärenmacher auf der Suche nach Inspiration und Material. Mehr Frauen als Männer sind darunter. Und nur wenige Kinder, denn Teddys seien inzwischen ein Erwachsenenhobby, weiß Veranstalter Thomas Heße. "Zumindest in der Form, wie wir die Begeisterung pflegen." Heute hätten nur noch wenige Kinder etwas übrig für werthaltige Bären, also für lebenslange Begleiter wie sie Teddy-Künstlerin Gabriele Prinz fertigt. Zwölf bis 18 Stunden Arbeit, um die 80 Euro teuer. Feinster Flausch. "Das geben Eltern heute aber lieber für andere Sachen aus", sagt Thomas Heße. In der pelzigsten aller Szenen gebe es ein Nachwuchsproblem Plüschexperten wie Daniel Hentschel sprechen lieber von einer "Normalisierung" gegenüber den 90er-Jahren, als der Andrang bei Teddybörsen am größten war. Hentschel ist seit 35 Jahren dabei und so etwas wie das wandelnde Teddy- Lexikon. An seiner Teddy-Schätzstelle, an der Bärenbesitzer ihre Exemplare auf Alter, Wert und Herkunft testen lassen können, steigt fast musealer Duft in die Luft. Hentschel, der auf Kriterien wie Nahtverlauf und Sechserschlag achtet, besitzt laut eigener Aussage den ältesten Steiff-Bären der Welt. Ein unverkäufliches Unikat aus dem Jahr 1894. Noch ohne Knopf im Ohr, denn das erste Piercing, bis heute Markenzeichen der Giengener Firma, habe der Klassiker unter den Plüschbären erst seit 1904 über sich ergehen lassen müssen. Hentschel, eigentlich beim DRK angestellt, hat mit einem schnöden "Eduscho-Bären" angefangen. Heute betreibt er sein Hobby mit "forensischer Akribie" und besitzt 200 Exemplare. Wobei das Schöne und Faszinierende an Teddybären sei, dass sie ein Spielzeug ohne vordergründig pädagogischen Zweck sind. "Man kann mit ihnen kuscheln und das war's", sagt Hentschel. "Meinen Liebling Hans-Jürgen finde ich zum Beispiel immer noch gut." Gerade wenn es um den Bären mit dem Knopf im Ohr geht, sei aber schon lange nicht mehr sicher, dass er der Begleiter der Wahl sei. Das Konsumverhalten habe sich etwas verändert, sagt die Hamburgerin Barbara Dluzak von den Steiff Club Händlern. Auch sie spricht davon, dass sich Kindheitsträume zur Erwachsenenbeschäftigung gewandelt haben. Die Liebe zum Detail werde immer seltener gewürdigt. So sei das eben mit dem Zeitgeist. Die große Teddykrise will an diesem Nachmittag in Schnelsen trotzdem niemand ausrufen. Dafür geht der Bär auch wirklich noch zu gut. Einige Stände weisen schon wenige Stunden nach der Messeeröffnung deutliche Lücken im Bestand auf. So manches Plüschohr hat Druckstellen. Der flauschige Fellfreund kann laut Bärenexperte Daniel Hentschel vielleicht nicht mehr mit modernen Spielekonsolen mithalten. Aber aus der Mode, werde er auch nicht so schnell kommen. Denn wer erst zum Teddyfan geworden sei, komme nicht mehr davon los. Zumal das Plüschspielzeug nach wie vor einen unschlagbaren Vorteil biete: "Mit dem Teddy kann man kuscheln, mit dem Computer nicht."